„Glauben und Kirche für junge Menschen positiv erlebbar machen“
Dr. Susanne Krogull ist seit Januar 2023 Leiterin der Abteilung Religionspädagogik und Ämter im Bistum Limburg. Die Erziehungswissenschaftlerin ist keine Unbekannte in der Diözese: Nach ihrem Lehramtsstudium in katholischer Theologie und Englisch war sie von 2001 bis 2010 bei Missio als Diözesanreferentin im Bistum Limburg in der entwicklungsbezogenen Bildungsarbeit tätig. Während ihrer berufsbegleitenden Promotion in Erziehungswissenschaft hat sie an der Universität Bamberg den Master-Studiengang Educational Quality in Developing Countries mitaufgebaut und geschäftsführend geleitet. Von Oktober 2018 bis Dezember 2022 war sie zudem Teil der Leitung des Jugendamtes der Erzdiözese Bamberg. Dr. Krogull stammt aus dem Bistum Trier. Dort war sie Ministrantin und Pfadfinderin bei der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) und übernahm als Ehrenamtliche Führungsaufgaben bis hinauf zur Bundesebene.
Frau Dr. Krogull, seit Januar 2023 sind Sie Leiterin der Abteilung Religionsunterricht und Ämter im Bischöflichen Ordinariat Limburg. Was ist das Besondere an Ihrer neuen Tätigkeit?
Der schulische Kontext erlebt gerade eine sehr spannende Zeit. Die Austrittszahlen und der Relevanzverlust von Kirche in der Gesellschaft schlagen sich auch im schulischen Kontext nieder. Wir haben weniger Schülerinnen und Schüler, die katholischen (oder evangelischen) Religionsunterricht beanspruchen, gleichzeitig auch weniger Lehrkräfte und pastorale Mitarbeitende, die für den Religionsunterricht zur Verfügung stehen. Perspektivisch stellt sich die Frage, wohin sich der Religionsunterricht entwickeln wird. Was braucht das Fach Religion, um attraktiv zu bleiben? Was brauchen katholische Schulen, um attraktiv zu bleiben? Was braucht aber auch das Berufsbild der Religionslehrkraft, um attraktiv zu bleiben? Und schließlich die grundlegende Frage: Was kann Kirche perspektivisch für junge Menschen noch anbieten? Auf diese Fragen gilt es Antworten zu finden.
Ich komme selber aus der kirchlichen Jugendarbeit, bin bei den Pfadfindern groß geworden und war dort mehr als 30 Jahre ehrenamtlich aktiv. Dadurch bin ich letztlich auch beruflich im kirchlichen Kontext gelandet. Aber das passiert heute immer weniger. Wir müssen uns fragen, wie es heute gelingen kann, junge Menschen zu erreichen und sie für den Glauben und die Kirche zu begeistern. Dabei wird die Schule perspektivisch eine noch wichtigere Rolle spielen, als sie dies ohnehin schon tut, weil sie für viele junge Menschen oftmals der einzige Begegnungsort mit Kirche überhaupt ist. Diese Entwicklung mitzugestalten ist sehr spannend.
Welche Anknüpfungspunkte sehen Sie zu Ihren bisherigen Tätigkeiten innerhalb, aber auch außerhalb des Bistums Limburg?
In den vergangenen vier Jahren war ich im Erzbistum Bamberg Teil der Leitung des Jugendamtes der Erzdiözese. Von dort bringe ich viel Erfahrung im Bereich Personalführung und der Leitung von Organisationen mit. Während meiner Tätigkeit an der Universität in Bamberg habe ich mit Prof. Annette Scheunpflug einen Masterstudiengang entwickelt zu schulischer Bildungsqualität in Ländern des globalen Südens mit einem Fokus auf das Privatschulwesen. Viele Inhalte und Aspekte aus dieser Zeit haben eine Relevanz für meinen jetzigen Tätigkeitsbereich: Die Gestaltung und Erhöhung von Unterrichtsqualität, die Konzeptionierung von Lehrkräftefortbildungen und Begleitung von Veränderungsprozessen, die Profilbildung und Weiterentwicklung von Schulen in privater Trägerschaft, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
In der Diözese sind Sie keine Unbekannte. Fast zehn Jahre lang waren Sie bei Missio als Diözesanreferentin im Bistum Limburg in der entwicklungsbezogenen Bildungsarbeit tätig. Wie war es jetzt zurückzukommen?
Es war ein Stückchen wie nach Hause kommen, weil viele Kolleginnen und Kollegen von damals noch da sind. Ich habe mich gefreut, zurückzukommen und erlebe, dass auch andere sich freuen, mich wieder zu sehen. Das ist ein sehr schönes Gefühl. Mein erster offizieller Bürotag war der 9. Januar. An diesem Tag fand auch der Neujahrsempfang des Bistums statt und das war natürlich toll. Ich habe dort ganz viele bekannte Gesichter wieder gesehen und dachte: Es ist schön, wieder da zu sein.
Welche Aufgaben gehören zu Ihrer Tätigkeit?
In der Abteilung bündelt sich ein buntes Portfolio an Aufgaben. Ziel ist es, den Religionsunterricht qualitativ und quantitativ in unserem Bistum sicherzustellen und Kirche in der Schule positiv erfahrbar zu machen. Das mache ich nicht alleine, sondern gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in der Abteilung. Meine Aufgabe als Abteilungsleiterin ist es, neben der Personalführung und der Schaffung von guten Arbeitsrahmenbedingungen, die Mitarbeitenden zu beraten, inhaltlich zu begleiten und sie bei ihren Aufgaben zu unterstützen. Dazu gehört die Betreuung von Studierenden des Faches katholische Theologie auf Lehramt ebenso, wie die Begleitung von Religionslehrkräften im Referendariat aber auch die religionspädagogische Ausbildung der pastoralen Mitarbeitenden und die Organisation von Fortbildungsangeboten für bereits aktive Lehrkräfte. In diesem Bereich arbeiten wir eng mit dem Pädagogischen Zentrum der Bistümer im Lande Hessen zusammen.
Im Bereich der Schulpastoral engagieren wir uns für eine positive Gestaltung des Lebensraums Schule und unterstützen die Schülerinnen und Schüler bei ihrer Persönlichkeitswerdung. Die Erteilung der Missio canonica, der kirchlichen Unterrichtserlaubnis, sowie die Erarbeitung von Stellungnahmen für Schulbuchzulassungen oder Änderungen der Curricula fallen ebenfalls in den Aufgabenbereich meiner Abteilung.
Zu meinen Aufgaben gehört es, die vielfältigen Arbeitsbereiche zu koordinieren und gemeinsam mit den Mitarbeitenden dafür Sorge zu tragen, dass die Qualitätskriterien, die teilweise auch von staatlicher Seite vorgeschrieben sind, eingehalten werden. Darüber hinaus unterstütze ich die Bereichsleitung in der politischen Interessenvertretung auf Länderebene.
Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell?
Wir nehmen wahr, dass viele Kinder im Religionsunterricht nicht mehr kirchlich oder christlich sozialisiert sind. Selbst wenn sie offiziell, also auf dem Papier, katholisch sind, heißt das nicht, dass sie diesbezüglich Wissen oder Erfahrungen mitbringen. Dies stellt Religionslehrkräfte vor Herausforderungen. Darüber hinaus gibt es eine immer größer werdende Anzahl von Kindern und Jugendlichen, die nicht den beiden großen christlichen Konfessionen angehören. Es stellt sich vor diesen Hintergründen die Frage, wie Religionsunterricht perspektivisch gestaltet werden kann. Wie können christliche Werte vermittelt und die Auseinandersetzung mit Glauben und den wichtigen Fragen des Lebens aus einer katholisch christlichen Positionierung heraus ermöglicht werden, wenn immer weniger Schülerinnen und Schüler am Religionsunterricht teilnehmen bzw. teilnehmen können? In Rheinland-Pfalz gibt es bereits den konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, um in gemeinsamer ökumenischer Verantwortung Religionsunterricht zu ermöglichen. Auch in Hessen versuchen wir, uns auf ein Modell zu verständigen. Dies ist ein Lösungsansatz, aber ich befürchte, dass dies perspektivisch nicht ausreichen wird.
Die zweite Herausforderung ist das weniger werdende Personal. Ich war neulich im Gespräch mit den Religionspädagoginnen und Religionspädagogen der Goethe-Universität in Frankfurt. Diese sagten zu mir: „Macht bitte Werbung für den Beruf der Religionslehrkraft!“ Es gibt immer weniger junge Menschen, die Glauben und Kirche so spannend finden und so involviert sind, dass sie einen Beruf im kirchlichen Kontext ausüben möchten. Das erleben wir nicht nur mit Blick auf Religionslehrkräfte sondern auch beim pastoralen Personal.
Als eine dritte Herausforderung sehe ich den Kontakt zwischen Schule und Kirche bzw. der Gemeinde vor Ort. Dort braucht es deutlich mehr Vernetzung. Es ist wichtig, dass die Pfarreien wahrnehmen, welche Chancen und Kooperationsmöglichkeiten es hier gibt. Ich glaube, dass Schule perspektivisch der Hauptort sein wird, wenn er es nicht schon ist, wo junge Menschen auf Kirche treffen bzw. wo Kirche in Kontakt mit jungen Menschen kommen kann. Diese Chance gilt es zu nutzen, sowohl zum Wohle der Schülerinnen und Schüler als auch zum Wohle der Kirche. Da ist es toll, wenn es bei Ganztagsschulangeboten eine Verknüpfung mit der kirchlichen Jugendarbeit gibt. Darüber hinaus kann Kirche, kann die Gemeinde über die Schule mit der Lebenswirklichkeit junger Menschen in Kontakt kommen und über diesen Kontakt vielleicht auch Impulse für die eigene Zukunftsfähigkeit entdecken.
Was wünschen Sie sich in Bezug auf den Religionsunterricht und den Kontakt von jungen Menschen mit den Themen Glauben und Kirche?
Ich möchte gerne Glauben und Kirche für junge Menschen positiv erlebbar machen. Kirche bedeutet so viel mehr, als – stereotyp gesprochen - sonntags früh aufstehen zu müssen, um in den Gottesdienst zu gehen oder Missbrauchsskandale. Kirchliche Jugendarbeit, Religionsunterricht und kirchliche Schulen bieten - auch perspektivisch - Möglichkeiten, mit jungen Menschen in Kontakt zu kommen, deshalb ist es wichtig, sie zu fördern. Dabei gilt es kritisch zu fragen, wo es Konfessionalität braucht und was vielleicht auch außerhalb eines konfessionell-gebundenen oder womöglich sogar konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts möglich ist. Spiritualität und Religion haben eine große Prägekraft bei existentiellen Fragen, wie etwa bei der Frage nach dem Sinn des Lebens. Unser Grundgesetz basiert auf christlichen Werten, das darf man nicht vergessen. Ich kann mir eine Gesellschaft ohne Religion nicht vorstellen. Sie hat unsere Wertegemeinschaft stark geprägt. Solche Themen mit Kindern und Jugendlichen zu diskutieren und zu besprechen, ist eine wichtige gesellschaftliche Funktion von Kirche. Wir möchten junge Menschen in ihrem Erwachsenwerden begleiten und dafür braucht es eine positive Präsenz von Kirche und Religion an den Schulen, die die jungen Menschen unterstützt, aber durchaus auch fordert und unbequeme Fragen stellt. Ich wünsche mir, dass der Religionsunterricht und auch die katholischen Schulen zukunftsfähig aufgestellt werden und wir uns auch dabei von der Trafo-Frage leiten lassen: „Was brauchst du?“